„Hast Du den Baum schon geholt?“. Ich dachte, dass
wollten wir zusammen machen?!“ entgegnete ich meinen Schatz. „Aber wenn wir
noch länger warten kriegen wir am Ende keinen mehr!“. „Ok, ich hole ihn am
Samstag beim Bauern um die Ecke!“ so meine Antwort. „Samstag ist viel zu spät,
dann haben die keinen gescheiten mehr!“ und weiter „wie hast Du Dir das
eigentlich mit dem Fondue gedacht und wieviel Leute kommen?“ und mein Mupf läuft
zur Hochform auf „was brauchst Du den dazu und wo willst Du es holen?“. Die
letzten Fragen kann ich mir schon nicht mehr merken und kürze das ganze ab mit
den Worten „Ich kümmere mich um alles!“. Das sollte die Wirkung haben, dass
Mupf sich entspannt und das Bombardement der Fragen ein Ende findet. Ich hätte
es besser wissen müssen, es geht munter weiter „Wann willst Du das denn alles
machen? Baum holen, einkaufen, Fondue machen! Und Du weißt noch nicht mal wer
alles kommt und Getränke brauchen wir auch noch“. Ich antworte erneut „Ich
kümmere mich schon und außerdem ist ja noch Zeit … ich muss ja nur einkaufen“.
„Ja, aber der Baum?!“. „Der gehört zum Einkaufen“. Einkaufszettel ist bereits
gemacht. Ist doch wirklich nicht zu kompliziert. Einkaufen und an Heiligabend
ein Topf heiße Brühe auf die Flamme stellen dazu ein paar Spieße mit denen die
Lieben ihre Fleischklumpen in die Brühe tunken können. Apropos Flamme –
Brennpaste muss ich kaufen und die steht noch nicht auf dem Einkaufszettel. Ich
verstehe nicht warum da jetzt schon so ein Theater gemacht werden muss – ist
doch erst der 22ste. Aber so sind sie die Frauen, alles muss wie bei der Apollo
Mondlandung bis ins Kleinste geplant werden. Es darf ja nichts schief gehen,
damit keiner was zu meckern hat. Komisch, ich denke ans Büro. An mein schönes
ruhiges Büro.
Den Baum habe ich inzwischen geholt und er wurde vom
Mupf gelobt. „Schöner Baum, Schnuggi!“. Ich freue mich und weiß, es kann nicht
mehr lange dauern bis die Frage aller Fragen von ihrem Hirn den Weg zum Mund
nimmt um dort unvermeidbar ausgeplappert zu werden. Ja und da ist sie, die
Frage auf die ich schon seit Tagen warte, wie in jedem Jahr: „Wann schmücken
wir den denn?“. Ha, und jetzt kommt meine immer gleiche Antwort „an
Heiligabend!“. Aber die wird – auch wie in jedem Jahr - komplett ignoriert. Und so oder in ähnlichem
Wortlaut auch immer der Konter auf meine Antwort: „Ne Schatz, den will ich
vorher schon hier stehen haben, sonst haben wir ja nichts davon!“. Und zum
ungefähr 13ten mal beuge ich mich. Ist auch besser, denn wenn sie jetzt noch
erfährt, dass ich an Heiligabend noch einen Termin beim Friseur habe, wird sie
völlig nervös. Abgesehen davon würde ich auch zeitlich nicht alles schaffen
aber zugeben würde ich das im Leben nicht, niemals. Dieser Dialog um den
Zeitpunkt des Baumschmückens wiederholt sich jedes Jahr aufs Neue. Das ist so
sicher wie in der Kirche Stille Nacht gesungen wird. Und ich verliere jedes
Jahr, das ist genauso sicher. Dieser durch den Mupf gestartete Dialog gehört
mittlerweile zur Tradition des Festes wie der Baum selbst. Aber ich kann es
kaum erwarten und genieße sie, diese Frage. Zeigt sie doch eine gewisse
Abhängigkeit und eine Frage ist es eigentlich nicht sondern eine Aufforderung
mit Tendenz zum Befehl, denn schmücken geht erst wenn der Baum steht. Und
wenigstens das Aufstellen des Baumes, dieses kleine aber wichtige Detail der
Vorbereitung zum Fest, ist mir vorbehalten.
Es ist immer noch der 22ste, der Baum steht und damit
ist mein Job getan. Mupf ruft ihre Tochter #2 „Wollen wir den Baum schmücken?“,
„Ja, ich komme“ und es ging los. Zuerst, wie es sich für einen modernen und
sicherheitsbewussten Haushalt gehört, die Lichterkette mit 100 LED´s aufgeteilt
in 3 Stromkreise. Zwei Mädels und drei Stromkreise, das kann nicht gut gehen und so
ich nahm ich, voll freudiger Erwartung auf das was da kommen sollte auf dem
Sofa Platz. Erste Reihe sozusagen, fehlt nur noch Popcorn. Nach ersten schüchternen Versuchen, die jeweils andere
darüber zu belehren, wie die Kette richtig zu verlegen ist entwickelte sich das
Ganze langsam zu einer Auseinandersetzung. Durch das beidseitige Zerren an den
Kabeln wurde der Baum rhythmisch zum Takt von „Rudolph the rednose rendere“ hin
und her geschüttelt und es sieht aus als wenn er in Ostsibirien beharrlich
einem Blizzard trotzt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das dem Nadelbaum
auch lieber gewesen wäre und ich werde das Gefühl nicht los, dass das
Traditionsgewächs symbolisch meinen Platz zwischen den zwei Furien eingenommen
hat. Ja, er ist jetzt mein Freund, mein Freund der Baum.
Tochter #2 war bereits in einen der Stromkreise
verwickelt und Stand regungslos am Wohnzimmerschrank gleich einer Motte, die sich
im Spinnennetz verfangen hat und schutzlos der Dinge harren muss die wohl
kommen mögen. Ja, und da kamen sie, die Dinge und ich vermute, Tochter #2 wäre
jetzt tatsächlich lieber eine Motte, gefangen im Netz der Tarantula, irgendwo
im dunklen Wald. „Warum stehst Du nur da rum, Du sollst mir doch helfen“
verkündete der Mupf und der Tonfall ist nicht mehr so schüchtern wie noch vor
ein paar Minuten, er erinnert mich irgendwie an einen Fussballtrainer am
Spielfeldrand. Tochter #2 antwortet mit der Melodie einer Krankenschwester, die
einen Notfall in Empfang nimmt „Würd´ ich ja gern aber da unten ist die
Lichterkette nur ein Klumpen!“. Darauf der Konter des Mupfs „klar, wenn Du nur
darum stehst und nichts machst“. Tochter #2, gleiche Melodie eine Octave höher
und crescendo: „wie soll ich denn wenn Du ständig an der Kette ziehst?!“. Ach
herrlich denke ich, sie sind erst bei der Lichterkette, also dem Intro dieser Baumschmückoper,
und drücke mich noch tiefer und gemütlicher in die Sofaecke und hoffe, dass das
Schauspiel noch ein paar Akte hat. Aber ein etwas zu lautes Lachen lenkte die
Aufmerksamkeit beider auf mich. Die Köpfe flogen herum und beide im Chor „Ja,
Du sitzt darum, wie wäre es denn wenn Du mal mit anpackst?“ und schon sind sie
sich wieder einig und mein Freund der Baum ist nicht tot. Der Vorhang fällt und
die Vorstellung findet ein schnelles Ende. Auf die Zugabe warte ich vergeblich.
Ich denke mit Wehmut ans Büro und raffe mich auf. Der Mupf entscheidet, meinem
Freund die Fesseln abzunehmen und neu zu verlegen. Tochter #2 ist wieder
befreit und es geht frisch ans Werk. Zu dritt legen wir die drei Stromkreise
zwar auch nicht eleganter aber nach einer Zeit sind die Lichter einigermaßen
gleichmäßig verlegt. Das behängen des Kumpels mit Kugeln, Sternen aus Stroh,
Muffins (!?) und sonstigem Gedöns geht vergleichsweise unproblematisch über die
Bühne.
Teil 2 folgt am ersten Weihnachtsfeiertag
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