Dienstag, 24. Dezember 2013

Oh Du fröhliche (Teil 1)

 Unaufhaltsam rückt es näher, das Fest der Feste. Weihnachten. Die Landschaft in ein weißes Kleid gehüllt. Vorfreude auf das Schenken und beschenkt werden. Vorfreude auf gutes Essen und ruhige Tage ohne Hektik und Berufsstress. Auf den geschmückten Baum, der die Idylle vollkommen macht. Entspanntes Miteinander im Kreise der Lieben. Ja, so wird es kommen…

„Hast Du den Baum schon geholt?“. Ich dachte, dass wollten wir zusammen machen?!“ entgegnete ich meinen Schatz. „Aber wenn wir noch länger warten kriegen wir am Ende keinen mehr!“. „Ok, ich hole ihn am Samstag beim Bauern um die Ecke!“ so meine Antwort. „Samstag ist viel zu spät, dann haben die keinen gescheiten mehr!“ und weiter „wie hast Du Dir das eigentlich mit dem Fondue gedacht und wieviel Leute kommen?“ und mein Mupf läuft zur Hochform auf „was brauchst Du den dazu und wo willst Du es holen?“. Die letzten Fragen kann ich mir schon nicht mehr merken und kürze das ganze ab mit den Worten „Ich kümmere mich um alles!“. Das sollte die Wirkung haben, dass Mupf sich entspannt und das Bombardement der Fragen ein Ende findet. Ich hätte es besser wissen müssen, es geht munter weiter „Wann willst Du das denn alles machen? Baum holen, einkaufen, Fondue machen! Und Du weißt noch nicht mal wer alles kommt und Getränke brauchen wir auch noch“. Ich antworte erneut „Ich kümmere mich schon und außerdem ist ja noch Zeit … ich muss ja nur einkaufen“. „Ja, aber der Baum?!“. „Der gehört zum Einkaufen“. Einkaufszettel ist bereits gemacht. Ist doch wirklich nicht zu kompliziert. Einkaufen und an Heiligabend ein Topf heiße Brühe auf die Flamme stellen dazu ein paar Spieße mit denen die Lieben ihre Fleischklumpen in die Brühe tunken können. Apropos Flamme – Brennpaste muss ich kaufen und die steht noch nicht auf dem Einkaufszettel. Ich verstehe nicht warum da jetzt schon so ein Theater gemacht werden muss – ist doch erst der 22ste. Aber so sind sie die Frauen, alles muss wie bei der Apollo Mondlandung bis ins Kleinste geplant werden. Es darf ja nichts schief gehen, damit keiner was zu meckern hat. Komisch, ich denke ans Büro. An mein schönes ruhiges Büro.

Den Baum habe ich inzwischen geholt und er wurde vom Mupf gelobt. „Schöner Baum, Schnuggi!“. Ich freue mich und weiß, es kann nicht mehr lange dauern bis die Frage aller Fragen von ihrem Hirn den Weg zum Mund nimmt um dort unvermeidbar ausgeplappert zu werden. Ja und da ist sie, die Frage auf die ich schon seit Tagen warte, wie in jedem Jahr: „Wann schmücken wir den denn?“. Ha, und jetzt kommt meine immer gleiche Antwort „an Heiligabend!“. Aber die wird – auch wie in jedem Jahr -  komplett ignoriert. Und so oder in ähnlichem Wortlaut auch immer der Konter auf meine Antwort: „Ne Schatz, den will ich vorher schon hier stehen haben, sonst haben wir ja nichts davon!“. Und zum ungefähr 13ten mal beuge ich mich. Ist auch besser, denn wenn sie jetzt noch erfährt, dass ich an Heiligabend noch einen Termin beim Friseur habe, wird sie völlig nervös. Abgesehen davon würde ich auch zeitlich nicht alles schaffen aber zugeben würde ich das im Leben nicht, niemals. Dieser Dialog um den Zeitpunkt des Baumschmückens wiederholt sich jedes Jahr aufs Neue. Das ist so sicher wie in der Kirche Stille Nacht gesungen wird. Und ich verliere jedes Jahr, das ist genauso sicher. Dieser durch den Mupf gestartete Dialog gehört mittlerweile zur Tradition des Festes wie der Baum selbst. Aber ich kann es kaum erwarten und genieße sie, diese Frage. Zeigt sie doch eine gewisse Abhängigkeit und eine Frage ist es eigentlich nicht sondern eine Aufforderung mit Tendenz zum Befehl, denn schmücken geht erst wenn der Baum steht. Und wenigstens das Aufstellen des Baumes, dieses kleine aber wichtige Detail der Vorbereitung zum Fest, ist mir vorbehalten.

Es ist immer noch der 22ste, der Baum steht und damit ist mein Job getan. Mupf ruft ihre Tochter #2 „Wollen wir den Baum schmücken?“, „Ja, ich komme“ und es ging los. Zuerst, wie es sich für einen modernen und sicherheitsbewussten Haushalt gehört, die Lichterkette mit 100 LED´s aufgeteilt in 3 Stromkreise. Zwei Mädels und drei Stromkreise, das kann nicht gut gehen und so ich nahm ich, voll freudiger Erwartung auf das was da kommen sollte auf dem Sofa Platz. Erste Reihe sozusagen, fehlt nur noch Popcorn. Nach ersten  schüchternen Versuchen, die jeweils andere darüber zu belehren, wie die Kette richtig zu verlegen ist entwickelte sich das Ganze langsam zu einer Auseinandersetzung. Durch das beidseitige Zerren an den Kabeln wurde der Baum rhythmisch zum Takt von „Rudolph the rednose rendere“ hin und her geschüttelt und es sieht aus als wenn er in Ostsibirien beharrlich einem Blizzard trotzt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das dem Nadelbaum auch lieber gewesen wäre und ich werde das Gefühl nicht los, dass das Traditionsgewächs symbolisch meinen Platz zwischen den zwei Furien eingenommen hat. Ja, er ist jetzt mein Freund, mein Freund der Baum.

Tochter #2 war bereits in einen der Stromkreise verwickelt und Stand regungslos am Wohnzimmerschrank gleich einer Motte, die sich im Spinnennetz verfangen hat und schutzlos der Dinge harren muss die wohl kommen mögen. Ja, und da kamen sie, die Dinge und ich vermute, Tochter #2 wäre jetzt tatsächlich lieber eine Motte, gefangen im Netz der Tarantula, irgendwo im dunklen Wald. „Warum stehst Du nur da rum, Du sollst mir doch helfen“ verkündete der Mupf und der Tonfall ist nicht mehr so schüchtern wie noch vor ein paar Minuten, er erinnert mich irgendwie an einen Fussballtrainer am Spielfeldrand. Tochter #2 antwortet mit der Melodie einer Krankenschwester, die einen Notfall in Empfang nimmt „Würd´ ich ja gern aber da unten ist die Lichterkette nur ein Klumpen!“. Darauf der Konter des Mupfs „klar, wenn Du nur darum stehst und nichts machst“. Tochter #2, gleiche Melodie eine Octave höher und crescendo: „wie soll ich denn wenn Du ständig an der Kette ziehst?!“. Ach herrlich denke ich, sie sind erst bei der Lichterkette, also dem Intro dieser Baumschmückoper, und drücke mich noch tiefer und gemütlicher in die Sofaecke und hoffe, dass das Schauspiel noch ein paar Akte hat. Aber ein etwas zu lautes Lachen lenkte die Aufmerksamkeit beider auf mich. Die Köpfe flogen herum und beide im Chor „Ja, Du sitzt darum, wie wäre es denn wenn Du mal mit anpackst?“ und schon sind sie sich wieder einig und mein Freund der Baum ist nicht tot. Der Vorhang fällt und die Vorstellung findet ein schnelles Ende. Auf die Zugabe warte ich vergeblich. Ich denke mit Wehmut ans Büro und raffe mich auf. Der Mupf entscheidet, meinem Freund die Fesseln abzunehmen und neu zu verlegen. Tochter #2 ist wieder befreit und es geht frisch ans Werk. Zu dritt legen wir die drei Stromkreise zwar auch nicht eleganter aber nach einer Zeit sind die Lichter einigermaßen gleichmäßig verlegt. Das behängen des Kumpels mit Kugeln, Sternen aus Stroh, Muffins (!?) und sonstigem Gedöns geht vergleichsweise unproblematisch über die Bühne.

Teil 2 folgt am ersten Weihnachtsfeiertag

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