Samstag, 4. Januar 2014

Zoddel wird therapiert (Teil 1)

Der Weihnachtsurlaub neigt sich dem Ende zu und mein Schatz fragt „wollen wir zum Abschluss morgen nochmal zum Entspannen in die Therme fahren?“. „Großartige Idee“ stimmte ich zu und ergänzte „dann können wir ja anschließend noch zu IKEA fahren und die Nachtschränkchen holen!“. Ich freute mich auf den nächsten Tag. Aber den Vorschlag, das schwedische Möbelhaus zu besuchen, werde ich noch bitter bereuen. Wer mit seiner Liebsten schon mal durch den blau gelben Möbelmarkt geschlendert ist, weiß was ich meine. Dagegen ist ein Spaziergang durch den Gazastreifen die reinste Erholung.

Um 12 Uhr sitzen wir bereits im Auto. Während der Fahrt plaudern wir über dies und das und so erfahre ich, dass mein Schatz unbedingt die Honigsauna machen will, die macht nämlich eine schöne zarte Haut.
Gegen 12.30 erreichen wir unser Ziel und begeben uns auf direktem Weg in den Saunabereich. Das hat mein Schatz (der Mupf) vorgeschlagen, sonst haben wir zuerst immer ein paar Bahnen im großen Schwimmbecken gezogen. „OK, sagte ich „gehen wir gleich in den Saunabereich“, denn auf Schwimmen hatte ich sowieso keine Lust. Im Saunabereich angekommen legen wir die Taschen ab, entledigen uns unserer Klamotten und ich folge dem Mupf in die erste Schwitzkabine. Es ist die große. An der Tür steht Ying&Yang Sauna, Temperaturbereich 85 bis 95 Grad. Wir betreten das Halbdunkel der Kabine und stellen fest, dass die schon gut gefüllt ist mit nackigen Leibern. Einer der Leiber, ein recht hagerer, weicht erschrocken zurück als wir die Kabine betreten. Ein paar Sekunden später weiß ich auch warum. Es ist der Müslifritze aus dem Bioladen. Er ist aber auch schwer zu erkennen in dem schummrigen Licht und ohne Wollpullover. Die Birkenstocks vor der Kabine hätten mir allerdings einen ersten Hinweis geben können. Im Vorbeigehen rufe ich ihm freundlich zu „Ich brauch neue Weizenkörner und ich weiß jetzt wie die Dinger weich werden, bis bald!“. Er legt den Kopf in die Hände und schüttelt denselben (Für Insider – es steht jetzt 2:2)(Insider werden - klick hier). Wir suchen uns ein Plätzchen in der zweiten Sitzreihe, breiten die Handtücher aus und machen es uns bequem. Ich sitze in einer Ecke und rechts neben mir sitzt mein Schatz. Die Ecke verschafft mir ein wenig Platz und gerade als mich darüber freue verdunkelt sich der Raum. Ein Dicker tritt ein und verhindert, dass ein Rest des ohnehin schon spärlichen Tageslichtes durch die Glastür ins Innere fällt. Er ist noch ca. 7m entfernt, watschelt unbeholfen aber zielstrebig immer näher an uns heran. Ich schaue mich verängstigt um aber der einzig freie Platz den ich entdecke ist der neben mir. Er kommt schnaufend an und wirft sein Handtuch – wie kann es auch anders sein - direkt neben mich auf die Bank in die Ecke. Jetzt besteigt er die erste Sitzreihe. Hierzu stampft er ein Bein, welches ungefähr so viel wiegt wie mein Vordermann im Ganzen, auf die erste Bankreihe. Das ist auch die auf der meine Füße ruhen. Nach ein paar röchelnden Atemzügen, die ihm wieder ein wenig Sauerstoff verschaffen, zieht er das zweite Bein nach. Jetzt steht er neben mir, den Allerwertesten in Richtung Raummitte und richtet sein Handtuch aus. Also er steht und ich sitze, was bedeutet, dass wir nicht auf gemeinsamer Augenhöhe sind. Was auf meiner Augenhöhe ist, ist sein Genital. Glücklicherweise fristet das ein zurückgezogenes Dasein zwischen Fettschürze Oberschenkeln und lugt deswegen nur wenig hervor. Um eine sitzende Position zu erreichen muss er sich drehen. Diese Bewegung leitet er jetzt ein und weil ich damit rechne beuge ich mich soweit ich kann in Richtung Schatz und entgehe so rechtzeitig einem ungewollten Arschhaar-Gesichtspeeling.
Der Schwitztempel ist jetzt proppenvoll aber einer kommt noch rein. Er trägt ein T-Shirt und Shorts auf dem Arm hat er ein paar Schüsseln. Ich stelle dem Mupf das hessische Fragewort „Häääh?“. (Die Übersetzung für nicht Hessen: „Warum hat der Klamotten an, was will der noch in der vollen Sauna und was hat er mit den Schüsseln vor?“). Mupf glotzt mich ahnungslos an, so zumindest interpretiere ich ihren wirren Gesichtsausdruck so. Der Angezogene kommt auf uns zu und stellt die Schüsseln in die Ecke in der der Überproportionierte sitzt. Der muss jetzt noch näher zu mir aufrücken, was er unter ächzen und stöhnen auch tut. Die Bank auf der er sitzt tut es ihm gleich und mir wird so langsam warm. In der Ecke sind jetzt 5 Schüsseln auf einem Handtuch aufgebahrt. Ich verstehe immer noch nicht. Endlich ergreift der Klamottenträger das Wort und heißt alle Schwitz- und Schweißfreunde in der Klangschalenschwitzrunde willkommen. Jetzt verstehe ich, überblicke das Ausmaß dieses Events aber noch nicht. Er erklärt verzückt und melodiös mit den Bewegungen eines vom anderen Ufer kommenden „Ich werde eine Klangschale anstoßen und zwischendurch einen Aufguss machen, danach werde ich den Duft des Rosmarin sanft im Raum verteilen“. „Klasse!“, denke ich „in einer Klangschalentherapie bin ich gelandet“. Hab ich mir doch schon immer gewünscht. Ich drehe den Kopf zur Seite und schaue den Schatz an und der blickt zurück. Fehler. Bisher war es nur blöd, jetzt wird es auch noch peinlich, denn der Mupf grinst sich nicht nur eins, nein, er muss lachen wie er in mein ausdrucksloses Antlitz sieht und zwar laut. Der Zeremonienmeister lässt sich davon aber nicht entmutigen und beendet die Erklärung tanzend „… dann werde ich verschiedene Klangschalen anstoßen und den Raum verlassen, dann ist die Veranstaltung beendet“. So schnell geht es aber dann auch wieder nicht, denn wir müssen noch lernen wie wir sitzen und Atmen, nämlich aufrecht, die Hände auf den Oberschenkeln und tief und langsam ein- und ausatmen. Vor Staunen habe ich wirklich fast vergessen zu atmen. Er bittet noch alle Insassen bis dahin die Sauna nicht zu verlassen. Jetzt nimmt er einen mit Leder umwickelten Holzklöppel mit dem er mit sanfter Gewalt auf die Schüsselkante schlägt. Den Schlag lässt sich die Schüssel nicht gefallen und jammert ein klagvolles und langanhaltendes Lied, welches sie vermutlich im tibetischen Hochland gelernt hat. Der Dompteur trägt sie jetzt auf der offenen Hand liegend bedeutungsvoll durch den Verschlag. Mir geht jetzt durch den Kopf, dass Tupperware durchaus auch Vorteile hat. Ich schaue mich in der Menge um und erkenne im Schummerlicht, dass einige richtig mitmachen. Mehr noch, sie wiegen den nackigen Schweißüberströmten Oberkörper langsam nach vorn und hinten, was mich an die Zombiefilme aus den 70ern erinnert. Die haben im Gegensatz zu mir sicher gewusst was ihnen hier blüht und vielleicht ist außer dem Müslifritzen sogar noch jemand absichtlich hier. Der Meister wirft jetzt Kräuterwasser mit einer Kelle in die glühenden Steine und lässt ein dickes Frotteehandtuch über seinem Kopf rotieren. Ich weiß nicht warum aber in dem Moment wünsche ich mir, das die doppelt umgenähte Handtuchspitze die Backe Wange meines Sitznachbarn peitscht. Mein Wunsch bleibt unerhört und der Bronzeschüsselakrobat schlägt jetzt noch den Schüsseln, die auf der Bank stehen auf die Kante und die machen sich sogleich an´s Vibrieren. Mupf raunt mir zu „Ach das vibrieren im Fuß auf der Bank ist aber angenehm“. Von mir liegen auch Körperteile auf der Bank und ich bestätige deswegen mit verzücktem Gesichtsausdruck, was die meisten Männer jetzt auch bestätigen würden. Der Zeremonienmeister verlässt jetzt den Raum und die Veranstaltung ist beendet. Was bisher geschehen war ist nicht zu glauben aber was jetzt passiert ist unfassbar. Die Menge klatscht. Die geschätzten 60 Insassen dieses überhitzten Kurzzeitgefängnisses klatschen – bis auf zwei. Ist es ein Grund zu klatschen nur weil einer Wasser ins Feuer schmeißt, mit dem Handtuch wedelt und Schüsseln andotzt?! Ich begreife die Welt nicht mehr und wir verlassen die Holzhütte. Wir sind vor dem Biofritzen am Ausgang weil der sich nicht traut mit seiner Nudel so nah am Ofen vorbeizugehen. Die Chance nutze ich und schlenze mit dem linken Fuss noch schnell einen seiner Birkenstocks ins Kaltwasserbecken (Für Insider, 3:2 für mich). Er hat die Veranstaltung anscheinend genossen und mir geht durch den Kopf, dass solche Veranstaltungen wie gemacht sind für jemanden der Biosachen verkauft.

Am Ende ist jeder von uns ist um eine Erfahrung reicher. Mein Schatz weiß jetzt, dass es keinen Sinn hat mit mir gemeinsam in so eine oder ähnliche Veranstaltung zu gehen. Und ich weiß, dass der Mupf mich mit Absicht hier hinein gelockt hat. Kann es Zufall sein, dass wir gerade heute, um genau diese Uhrzeit ausgerechnet in der Ying&Yang Sauna landen. Und wie ist zu erklären, dass wir direkt in die Sauna gegangen sind, ohne wie sonst immer, vorher noch ein paar Bahnen zu schwimmen. Ein weiteres Indiz: Mein Schatz wusste wo die Tafel mit den Aufgusszeiten hängt, sie wollte nämlich nachschauen, wann die Honigsauna stattfindet und hat den Aushang ohne Umwege gefunden. Ich bin sicher, die hat sie bei ihrem letzten Besuch auswendig gelernt, damit sie mich heute pünktlich zur Therapie bringen kann. Ja, und wenn es jemanden gibt, der weiß, dass ich eine Therapie brauche, dann ist es mein Schatz.

Was in der Sauna und im blau gelben Möbelmarkt noch geschehen ist erfahrt ihr bald an dieser Stelle.

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