Sonntag, 26. Januar 2014

das blau gelbe Möbelhaus

Wir wissen genau was wir wollen und brauchen. Nur schnell direkt in das Regallager, einen blau-gelb gekleideten Fragen in welchem Regal die Nachtschränkchen lagern, Nachtschränkchen holen und zack, an die Kasse. Dauer höchstens, na ja, sagen wir mal, 20 min. Das war mein Plan. Der Plan vom Mupf war irgendwie anders. So und jetzt ratet mal welchem Plan wir gefolgt sind? Kleiner Tipp: Eingeparkt um 16:30, Ausgeparkt um 19:00.

„Duhuu Schnuffe!“ spricht mich der Mupf an wie wir auf den Parkplatz fahren. Der melodiöse Tonfall ist verräterisch und verbirgt eine Absicht. Auch das Kosewort kommt meist nur dann zur Anwendung. Sicherheitshalber rolle ich schon mal die Augen. Sekunden später kommt sie ohne Umschweife zum Punkt „Können wir noch schnell durch den Kinkerlitzchenmarkt gehen, ich brauch nämlich noch Servietten?“. Ja ja, sie formuliert es als Frage aber in Wirklichkeit ist es ihre Art unzweifelhaft klar zu machen, das wir durch den Kinkerlitzchenmarkt gehen und daran rein gar nichts zu rütteln ist. Die Entscheidung ist getroffen und wo sonst auf der Welt sollen wir auch Servietten herbekommen? Weil ich weiß, dass es hat keinen Sinn zu versuchen, den Markt für Küchenwerkzeug und skandinavische Dekoartikel zu umgehen, antworte ich „Klar Mupf, kein Problem.“. Na gut, aus den 20 min werden jetzt sicher eine Stunde denke ich mir. Aber jetzt kommt der nächste Vorschlag und der ist auch noch richtig gut. „Wenn wir schon mal hier sind können wir doch komplett durchlaufen und uns die Nachtschränkchen aufgebaut ansehen – im Katalog und im Internet sieht man sie ja nicht richtig, was meinst Du?“. Was soll ich schon meinen zu einem vernünftigen Vorschlag, ich nicke zustimmend. Obwohl ich Lust hätte in Småland zu warten und mit den bunten Bällen ein paar Kinder zu bewerfen oder lustige Zeichentrickfilme zu sehen und den anderen zu verraten wie sie ausgehen. Für den Spaß hätte ich sogar das stundenlange Sitzen auf den knuffigen kleinen Stühlen in Kauf genommen.
Also, auf in´s Getümmel. Das Gute ist ja, das man sich um den Weg keine Gedanken machen muss. Der Einkaufswütige wird die geschätzten 3km auf dem richtigen Weg geleitet und kann sich voll auf die feilgebotenen Artikel aus Holzspänen konzentrieren. Und, geschickt gemacht, Du musst einfach überall vorbei auch an Dingen, die Dich eigentlich gar nicht interessieren. Machbar wäre ja, einfach im Schnellgang durch die weniger interessanten Abteilungen zu hechten aber wenn Du an der Leine der deiner Frau geführt wirst bist Du einfach chancenlos. Überall ist irgendwas zu bestaunen und meine Begleitung zeigt hier einen Enthusiasmus der seinesgleichen noch sucht. Ich kann es kaum erwarten bis wir in der Schlafzimmerabteilung ankommen aber das wird wohl noch dauern, denn vorher kommen noch Wohnzimmer, Küche und dies und das und jenes und überall gibt es irgendwas zu sehen. Zum Beispiel den Sessel mit Fußhocker, den mein Schatz jetzt anpreist „Oh, in der Farbe ist der aber schön, irgendwann kaufe ich mir so einen!“. Das sollte vermutlich ein Hinweis auf einen Geburtstag oder das nächste Weihnachten sein. Gemeint ist so ein Sessel mit seitlichen Kopfstützen, die beim Einnicken verhindern, dass das das morsche Genick bricht. Man sieht oft in Altenheimen wie die Insassen ihn von morgens bis abends in Beschlag nehmen, wegen deren Bewegungslegasthenie. Und wenn es im Heim nur vereinzelt solche Modelle gibt, werden die am Abend vorher schon mit Windeln belegt um sie zu reservieren. Der Rollstuhl ohne Räder garantiert dem Personal verhältnismäßig ruhige und zufriedene Besetzer was wiederum den Arbeitsaufwand reduziert. Mir kommt jedenfalls immer das Bild vor Augen beim Anblick eines solchen Sitzmöbels und es fällt mir schwer, mir den Mupf darin vorzustellen. Obwohl sie ja einen ersten Schritt in die Richtung gegangen ist – sie hat immerhin schon eine Lesebrille. Aber in der Kombination mit dem Sessel eilt das visuelle Alter ihrem tatsächlichen, dem physischen, um 20 Jahre voraus. Als vorausschauender Mensch habe ich schon mal Probe gesessen und ich muss sagen, gar nicht so schlecht, was da im Alter auf uns zukommt. Aber ich schenk ihr jedenfalls keinen – noch nicht. Das wäre dann auch das große Geschenk zum Geburtstag oder zu Weihnachten. Die Kleinigkeit zum Valentinstag sind dann sicher Auslagen aus dem Sanitätshaus, wie zum Beispiel Stützstrümpfe, Hühneraugenpflaster oder Venencreme. Nee, eindeutig noch zu früh für so was.
Wir kommen in der Schlafzimmerabteilung an und entdecken unser Nachtschränkchen. „Schön!“ sage ich „lass´ es uns holen.“. Ziemlich schnell sind wir einer Meinung, das kommt häufig vor und das ist schön. Jetzt notieren wir, was wir schon vor 2 Stunden notiert hätten, wenn wir meinem Plan gefolgt wären, nämlich das Regalfach in dem sie lagern.
Auf dem Weg in die Kleinkramabteilung wittere ich gebratenes. Das schwedische Schnellrestaurant an dem die Massen geschickt vorbei geschleust werden. Na also, jetzt kommt mein Einsatz. Köttbullar mit Pommes und Rahmsoße. Diese Verzögerung von ungefähr 30 Minuten geht auf mich.
Was meine Augen heute schon alles gesehen haben geht auf keine Kuhhaut. Nackedeis in der Sauna, Mafiosi im Anzug mit Birkenstocks und Pressspanmöbel in allen Farben. Mit akuter Reizüberflutung kommen wir endlich in der Krimskramsabteilung an und das bunte Küchengedöns aus Plastik gibt mir den Rest. Ich entdecke einen Wühltisch mit Servietten und rufe dem 10 Meter entfernten Mupf zu „Hier, weiße Servietten. 29 Cent der Pack!“. Der Mupf antwortet über die geiche Distanz „Ich such welche, die zur Deko passen!“. „Weiß passt doch überall!“ entgegne ich und ihr alles niederschmetternde Argument hierzu „Ja, nee, das muss besser passen.“. „Verstehe“ sage ich und Lasse den Kopf hängen während ich mich am Wühltisch aufstütze. Ein ebenfalls Einkaufgeschädigter nickt mir beruhigend zu, legt seine Hand auf meine Schulter und flüstert in einem Tonfall wie es Psychologen in schweren Fällen tun „Halt durch Freund, mir geht’s genauso.“. Der Mann hat tiefe, dunkle Augenringe und eine Glatze, ich vermute deswegen, dass er weiß was er sagt. Von fern ruft eine laute und kratzige Damenstimme „Häbäät, wo bleibsde dann, soll ich vielleischd den gansse Krembbel schlebbe?!“ und ich bin jetzt sicher, dass er weiß wovon er redet. Ich widme mich den benachbarten Topfpflanzen, die haben so was Natürliches und Beruhigendes. Vielleicht gelingt es hier meine überstrapazierten Augen und mein Gemüt in den Normalzustand zu versetzen. Wir suchen noch Nachttischlämpchen aus und begeben uns zur Kasse. Natürlich nicht direkt, denn wir müssen noch an den Knut-Angeboten vorbei, von denen wir uns unbedingt noch einige ansehen müssen, meint der Mupf. Von weitem werfe ich schon mal die Waren auf das Kassenlaufband. Dann bezahlen wir endlich. Am Auto angekommen stelle ich fest, dass wir zweieinhalb Stunden hier verbracht haben und zusammen bauen muss ich die auch noch - aber nicht heute.
Die Sauna und der lange Möbelhausspaziergang hat uns beide fertig gemacht. Zeit für den Abend auf der Couch und jetzt kann wirklich nichts mehr dazwischen kommen. Am Ende des langen Tages weiß ich, dass Käsebrezeln zwar das Trauma, verursacht durch Mafiosi und den Anblick von unbekleideten Leibern, therapieren können, nicht aber die Unmengen an Auslagen im Möbelhaus, dazu braucht es schon noch eine Nachtherapie in Form von schwedischen Fettbällchen.
 

 

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