Wir wissen genau was wir wollen und brauchen. Nur schnell direkt in das
Regallager, einen blau-gelb gekleideten Fragen in welchem Regal die
Nachtschränkchen lagern, Nachtschränkchen holen und zack, an die Kasse. Dauer
höchstens, na ja, sagen wir mal, 20 min. Das war mein Plan. Der Plan vom Mupf war
irgendwie anders. So und jetzt ratet mal welchem Plan wir gefolgt sind? Kleiner
Tipp: Eingeparkt um 16:30, Ausgeparkt um 19:00.
„Duhuu Schnuffe!“ spricht mich der Mupf an wie wir auf den Parkplatz fahren.
Der melodiöse Tonfall ist verräterisch und verbirgt eine Absicht. Auch das
Kosewort kommt meist nur dann zur Anwendung. Sicherheitshalber rolle ich schon
mal die Augen. Sekunden später kommt sie ohne Umschweife zum Punkt „Können wir
noch schnell durch den Kinkerlitzchenmarkt gehen, ich brauch nämlich noch
Servietten?“. Ja ja, sie formuliert es als Frage aber in Wirklichkeit ist es
ihre Art unzweifelhaft klar zu machen, das wir durch den Kinkerlitzchenmarkt
gehen und daran rein gar nichts zu rütteln ist. Die Entscheidung ist getroffen
und wo sonst auf der Welt sollen wir auch Servietten herbekommen? Weil ich
weiß, dass es hat keinen Sinn zu versuchen, den Markt für Küchenwerkzeug und
skandinavische Dekoartikel zu umgehen, antworte ich „Klar Mupf, kein Problem.“.
Na gut, aus den 20 min werden jetzt sicher eine Stunde denke ich mir. Aber
jetzt kommt der nächste Vorschlag und der ist auch noch richtig gut. „Wenn wir
schon mal hier sind können wir doch komplett durchlaufen und uns die
Nachtschränkchen aufgebaut ansehen – im Katalog und im Internet sieht man sie
ja nicht richtig, was meinst Du?“. Was soll ich schon meinen zu einem
vernünftigen Vorschlag, ich nicke zustimmend. Obwohl ich Lust hätte in Småland
zu warten und mit den bunten Bällen ein paar Kinder zu bewerfen oder lustige
Zeichentrickfilme zu sehen und den anderen zu verraten wie sie ausgehen. Für
den Spaß hätte ich sogar das stundenlange Sitzen auf den knuffigen kleinen
Stühlen in Kauf genommen.
Also, auf in´s Getümmel. Das Gute ist ja, das man sich um den Weg keine
Gedanken machen muss. Der Einkaufswütige wird die geschätzten 3km auf dem
richtigen Weg geleitet und kann sich voll auf die feilgebotenen Artikel aus
Holzspänen konzentrieren. Und, geschickt gemacht, Du musst einfach überall
vorbei auch an Dingen, die Dich eigentlich gar nicht interessieren. Machbar
wäre ja, einfach im Schnellgang durch die weniger interessanten Abteilungen zu
hechten aber wenn Du an der Leine der deiner Frau geführt wirst bist Du einfach
chancenlos. Überall ist irgendwas zu bestaunen und meine Begleitung zeigt hier
einen Enthusiasmus der seinesgleichen noch sucht. Ich kann es kaum erwarten bis
wir in der Schlafzimmerabteilung ankommen aber das wird wohl noch dauern, denn
vorher kommen noch Wohnzimmer, Küche und dies und das und jenes und überall
gibt es irgendwas zu sehen. Zum Beispiel den Sessel mit Fußhocker, den mein
Schatz jetzt anpreist „Oh, in der Farbe ist der aber schön, irgendwann kaufe
ich mir so einen!“. Das sollte vermutlich ein Hinweis auf einen Geburtstag oder
das nächste Weihnachten sein. Gemeint ist so ein Sessel mit seitlichen
Kopfstützen, die beim Einnicken verhindern, dass das das morsche Genick bricht.
Man sieht oft in Altenheimen wie die Insassen ihn von morgens bis abends in
Beschlag nehmen, wegen deren Bewegungslegasthenie. Und wenn es im Heim nur
vereinzelt solche Modelle gibt, werden die am Abend vorher schon mit Windeln
belegt um sie zu reservieren. Der Rollstuhl ohne Räder garantiert dem Personal
verhältnismäßig ruhige und zufriedene Besetzer was wiederum den Arbeitsaufwand
reduziert. Mir kommt jedenfalls immer das Bild vor Augen beim Anblick eines
solchen Sitzmöbels und es fällt mir schwer, mir den Mupf darin vorzustellen. Obwohl
sie ja einen ersten Schritt in die Richtung gegangen ist – sie hat immerhin
schon eine Lesebrille. Aber in der Kombination mit dem Sessel eilt das visuelle
Alter ihrem tatsächlichen, dem physischen, um 20 Jahre voraus. Als
vorausschauender Mensch habe ich schon mal Probe gesessen und ich muss sagen,
gar nicht so schlecht, was da im Alter auf uns zukommt. Aber ich schenk ihr
jedenfalls keinen – noch nicht. Das wäre dann auch das große Geschenk zum
Geburtstag oder zu Weihnachten. Die Kleinigkeit zum Valentinstag sind dann sicher Auslagen aus dem Sanitätshaus, wie
zum Beispiel Stützstrümpfe, Hühneraugenpflaster oder Venencreme. Nee, eindeutig
noch zu früh für so was.
Wir kommen in der Schlafzimmerabteilung an und entdecken unser
Nachtschränkchen. „Schön!“ sage ich „lass´ es uns holen.“. Ziemlich schnell
sind wir einer Meinung, das kommt häufig vor und das ist schön. Jetzt notieren
wir, was wir schon vor 2 Stunden notiert hätten, wenn wir meinem Plan gefolgt
wären, nämlich das Regalfach in dem sie lagern.
Auf dem Weg in die Kleinkramabteilung wittere ich gebratenes. Das
schwedische Schnellrestaurant an dem die Massen geschickt vorbei geschleust
werden. Na also, jetzt kommt mein Einsatz. Köttbullar mit Pommes und Rahmsoße.
Diese Verzögerung von ungefähr 30 Minuten geht auf mich.
Was meine Augen heute schon alles gesehen haben geht auf keine Kuhhaut.
Nackedeis in der Sauna, Mafiosi im Anzug mit Birkenstocks und Pressspanmöbel in
allen Farben. Mit akuter Reizüberflutung kommen wir endlich in der
Krimskramsabteilung an und das bunte Küchengedöns aus Plastik gibt mir den
Rest. Ich entdecke einen Wühltisch mit Servietten und rufe dem 10 Meter
entfernten Mupf zu „Hier, weiße Servietten. 29 Cent der Pack!“. Der Mupf
antwortet über die geiche Distanz „Ich such welche, die zur Deko passen!“.
„Weiß passt doch überall!“ entgegne ich und ihr alles niederschmetternde
Argument hierzu „Ja, nee, das muss besser passen.“. „Verstehe“ sage ich und
Lasse den Kopf hängen während ich mich am Wühltisch aufstütze. Ein ebenfalls Einkaufgeschädigter
nickt mir beruhigend zu, legt seine Hand auf meine Schulter und flüstert in
einem Tonfall wie es Psychologen in schweren Fällen tun „Halt durch Freund, mir
geht’s genauso.“. Der Mann hat tiefe, dunkle Augenringe und eine Glatze, ich
vermute deswegen, dass er weiß was er sagt. Von fern ruft eine laute und
kratzige Damenstimme „Häbäät, wo bleibsde dann, soll ich vielleischd den gansse
Krembbel schlebbe?!“ und ich bin jetzt sicher, dass er weiß wovon er redet. Ich
widme mich den benachbarten Topfpflanzen, die haben so was Natürliches und Beruhigendes.
Vielleicht gelingt es hier meine überstrapazierten Augen und mein Gemüt in den
Normalzustand zu versetzen. Wir suchen noch Nachttischlämpchen aus und begeben
uns zur Kasse. Natürlich nicht direkt, denn wir müssen noch an den
Knut-Angeboten vorbei, von denen wir uns unbedingt noch einige ansehen müssen,
meint der Mupf. Von weitem werfe ich schon mal die Waren auf das Kassenlaufband.
Dann bezahlen wir endlich. Am Auto angekommen stelle ich fest, dass wir
zweieinhalb Stunden hier verbracht haben und zusammen bauen muss ich die auch
noch - aber nicht heute.
Die Sauna und der lange Möbelhausspaziergang hat uns beide fertig gemacht.
Zeit für den Abend auf der Couch und jetzt kann wirklich nichts mehr dazwischen
kommen. Am Ende des langen Tages weiß ich, dass Käsebrezeln zwar das Trauma,
verursacht durch Mafiosi und den Anblick von unbekleideten Leibern, therapieren
können, nicht aber die Unmengen an Auslagen im Möbelhaus, dazu braucht es schon
noch eine Nachtherapie in Form von schwedischen Fettbällchen.
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